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Feine Sahne Fischfilet

Zugegeben: Das Folgende ist schon über verschiedene Dinge gesagt worden, auf weniges jedoch war es so zutreffend wie auf diese Band: Gäbe es Feine Sahne Fischfilet nicht, so müsste man sie erfinden. Allein schon diese Haltung, auf Vernunft und sämtliche Grundregeln der Bandökonomie zu pfeifen, und einfach mal zu sechst unterwegs zu sein. Da ist die logischste Aufteilung eines Sixpack eben wichtiger als die gängigen Besetzungssitten und der Bandbus operiert nah an der maximalen Auslastungsgrenze. Reicht ja schon fast, wenn Sänger Monchi seinen Pavarotti-mäßigen Resonanzkörper auf die Waage bringt. Dann sind da noch Gitarrist und zweite Stimme Christoph, Basser Kai, der Drummer, der von allen nur zärtlich Hasenbaby genannt wird und die Trompeter Jacobus und Mäxer.

Was macht Feine Sahne ansonsten so bedeutend? Ihre Geschichte beginnt 2007 als Rückzugsraum im Langeweilemief der Provinz Mecklenburg-Vorpommerns. Eine Schülerband auf dem Land – erstmal nichts Besonderes. Auf das nach zwei Jahren erscheinende Frühwerk „Backstage mit Freunden“ blickt die Band heute eher betreten zurück. Rumpelpunk mit Halbstarkengestus, viel mehr war das nicht. Material, das in seiner Haltung unbestimmt genug war, um auch Leute anzuziehen, die man nicht unbedingt auf seinen Konzerten haben will. Um klare Zeichen zu setzen, begann sich die Band ausdrücklich zu positionieren, zu politisieren und den in ihrer Umgebung allgegenwärtigen rechten Strukturen einen Entwurf gegenüber zu stellen, der Spaß mit Bewusstsein verbindet. Der Aktivismus und das offene Bekenntnis der Band gegen Rechts, brachten ihr in den letzten drei Jahren Vermerke im Verfassungsschutzbericht des Landes Mecklenburg-Vorpommern ein. Dürfte bekannt sein, es hat ja wirklich jeder darüber geschrieben. Auch das versuchten Feine Sahne mit Humor zu nehmen. In der Realität sind die Aktenvermerke aber nicht nur PR-Tool und Öffentlichkeitsboost, sondern alltägliche Stolpersteine, die Auftritte der Band nur zu oft vereiteln. 2012 erschien mit „Scheitern und Verstehen“ auf Audiolith nicht nur das dritte Feine Sahne-Album, sondern der vorläufige Höhepunkt des Reifeprozesses dieser Band. Ein Album voller in Herzblut geschriebener Hymnen an die Menschlichkeit und das Aufbegehren gegen all das, was nicht richtig läuft in diesem Land. Mit dem Album im Rücken und LfV-Hemmschuh sowie braunen Repressalien zum Trotz begann ein Tourmarathon über die kleinsten und die größten Bühnen des Landes. Die Band ist endlich so laut und so sichtbar wie sie es verdient und heute soweit, auf das Audiolith-Debüt nochmal einen drauf zu setzen.

Die aktuelle, ebenfalls auf Audiolith erscheinende LP-Durchsage heißt nun „Bleiben oder gehen“. Kann man als Punkrock-Historiker erstmal als kleinen Clash-Kniefall lesen, natürlich steckt viel mehr hinter dem Titel. Es ist der auf drei Wörter verdichtete Problemkomplex, der die Zerrissenheit der Band am einfachsten auf den Punkt bringt. Drei Wörter, denen jeder schon begegnet ist, dem die Heimat zu eng und zu klein vorkommt. Die gleichen Wörter, die aufleuchten, wenn es mal wieder um die Entscheidung geht, vor den eigenen Versagensängsten davon zu laufen oder es einfach durchzuziehen. Und das Versagen, das mögliche Scheitern an den eigenen Ansprüchen, schwelt sich wie der berühmte rote Faden durch das Album. Sei es der Zwiespalt zwischen Heimatverbundenheit und dem Eifer für Veränderung auf der einen Seite und dem easy way out, dem Wunsch nach Ausbruch aus einer Lebensrealität ohne vernünftigen Job und Perspektive auf der anderen Seite. Hierzu bitte in „ Für diese eine Nacht“ nachschlagen.

Oder die ganz konkrete Augenblicksbeschreibung aus den Augen des Feine Sahne-Kollektivs in „Lass uns gehen“. Der Hype um die Band und die vor drei, vier Jahren noch völlig undenkbare Tatsache, pausenlos und überall auf Tour zu sein. Ein Song im Glücksgefühl dieser Bedingungen, aber auch in der grundehrlichen Reflexion der Situation. Bandalltag am Rande des break even und querfinanziert durch „normale“ Jobs wird dann eben doch irgendwann zur Zerreißprobe. Eine Mühe, die während der sichtbaren Stunde Party auf der Bühne den wenigsten bewusst ist.

Oder aber in den ganz privat auslegbaren Liebes- und Trennungssongs „So lange es brennt“ und „ 48 Knoten“, die aber genau so gut auf jeden Zirkel erweiterbar sind, in denen Freundschaft, Liebe und all die menschlichen Makel die stärkste Bindung formen oder alles zusammen brechen lassen.
Dann wäre da noch „Am Ende“ als wesentlicher Song zu nennen, ein Bekenntnis zur Ahnungslosigkeit. Gegen etwas sein ist einfach. Wenn es aber darum geht, die einleuchtende Alternative auf den Tisch zu legen, beginnt das große Stammeln. Ein vergleichsweise pessimistisch klingender Song, adressiert an alle Redenschwinger und Adorno-Exegeten. Vor der Weltrevolution vielleicht erstmal vor der eigenen Tür aufräumen. Ansonsten ist dann doch „am Ende alles kaputt.“

„Warten auf das Meer“ ist der wohl privateste und unmittelbarste Moment auf dem Album. Ein Stück, dessen Geschichte man nicht mal kennen muss, damit es einem augenblicklich den Atem stocken lässt.

„Ich glaube dir“ dagegen driftet in seinem sofort zündenden Pop-Appeal nochmal in Richtung The Clash-Zitat und macht aufs charmanteste glaubhaft, dass am Ende doch noch alles gut wird.

Das ist nur eine kleine Auswahl an Stücken, die einerseits beweisen dürfte, wie unanfechtbar Feine Sahne mittlerweile als Songwriter agieren. Ein derartiges Hook-Feuerwerk hat es selbst auf „Scheitern und Verstehen“ nicht gegeben und man kann sich in den rauschendsten Bildern ausmalen, zu welchen live-Peitschen diese Songs noch wachsen werden. Andererseits pointieren sämtliche Songs auf „Bleiben oder gehen“ das Wesen dieser Band wie es keines ihrer bisherigen Alben vermochte. Die konsequente Meinung und Menschlichkeit dieser Typen, der von den Behörden als Subversion missverstanden wird und den inneren Widerspruch, der am Ende aber immer durch den Glauben an Freundschaft und Veränderung überwunden wird. Es ist ein Album für die Kids in der Provinz, es ist ein Plädoyer für das Bleiben und die aktive Aufwertung der Umwelt. Und daneben ist es auch noch ein verdammt gutes Punkrockalbum. Wenn es „Bleiben oder Gehen“ jetzt nicht schon gäbe, es müsste schleunigst erfunden werden.

 

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Tourdaten

27.05.2016 Darmstadt (DE) Schlossgrabenfest
28.05.2016 Augsburg (DE) Kongress am Park (Modular Festival)
10.06.2016 Interlaken (CH) Greenfield Festival
24.06.2016 - 25.06.2016 Chemnitz (DE) Kosmonaut Festival
24.06.2016 - 26.06.2016 Neuhausen ob Eck (DE) Southside Festival
24.06.2016 - 26.06.2016 Scheeßel (DE) Hurricane Festival
06.07.2016 Wien (AT) Two Days A Week Festival
07.07.2016 Salzburg (AT) Rockhouse
08.07.2016 - 09.07.2016 Prölsdorf (DE) Krach am Bach
22.07.2016 - 23.07.2016 Rostock (DE) Rostock Rockt
29.07.2016 - 30.07.2016 Dortmund (DE) Juicy Beats
10.08.2016 - 14.08.2016 Eschwege (DE) Open Flair Festival
11.08.2016 - 14.08.2016 Rothenburg ob der Tauber (DE) Taubertal Festival
11.08.2016 - 13.08.2016 Püttlingen (DE) Rocco del Schlacko
19.08.2016 - 21.08.2016 Hamburg (DE) Dockville Festival