„Meine Superduperhiphopgang ist wie Aspirin Complex.
Plötzlich gute Laune, doch eigentlich geht‘s dir schlecht!“
(Neonschwarz – Das Goldene Ticket)
Hey, Rap, Hände aus der Hose, hier kommen Neonschwarz! 2012 schrieben sich die Vier diesen Namen auf die wehenden Fahnen, doch bereits seit 2010 machen sie gemeinsam Musik. Mit ihrem Longplay-Debüt „Fliegende Fische“ (2014) haben sich Spion Y, Marie Curry, Captain Gips und Johnny Mauser freigeschwommen. Ihr Entwurf von Hip Hop ist vielseitig, melodiös, abwechslungsreich – und bedient sich leichtfüßig an Pop-, Electro- und Indie-Elementen. Als explizit politische Crew ist es den Mitbegründern* des TickTickBoom-Kollektivs gelungen, den hohen Erwartungen unaufgeregt zu begegnen: In vielen Songs hart an den schwierigen Themen der gesellschaftlichen Gegenwart, gelingt ihnen dennoch eine übergreifende Attitüde von Lässigkeit und Aufbruchsstimmung. Für „Metropolis“ haben die Hamburger* ihre smarte Herangehensweise großzügig aufpoliert und im Detail sensibel verfeinert. Wusstest du, dass die Welt untergehen wird? Wusstest du, dass es davor Schnaps geben wird? Wusstest du, dass Neonschwarz die Party zur Apokalypse veranstalten? Du bist eingeladen.
„Der Mensch macht die Stadt, nicht das Geld, nicht die Maschinen“
(Neonschwarz – Metropolis)
„Metropolis“, das mit 17 Tracks am 06.05. auf die Welt losgelassen wird und in Zusammenarbeit mit Farhot, Monroe, Ulliversal, Jakob Amr und Chaozz entstanden ist, erzählt Geschichten von der Stadt. Von der Stadt als einem utopischen Ort, der Neonschwarz vorantreibt. Die Stadt ist nicht der Alm-Öhi, der dir duftende Kekse serviert. Die Stadt ohrfeigt dich und macht deine Schuhe dreckig. Aber hier tobt das Leben. Um jeden Preis. Und wenn es genau dieses Leben kostet. Auf einmal Ende Gelände. Alles aus. Alles auf Anfang in der Stadt. Endlich wieder atmen. „Metropolis“ ist Traumort wie Horrorvision – wo Neonschwarz beobachten, verzweifeln und doch immer wieder aufstehen. Liegenbleiben füttert nur den aktuellen Status Quo. Und der ist lange schon satt.
Curry, Mauser und Gips rappen, shouten und singen im Breitwandmodus, während Spion Y mit seinen Cuts und Scratches glänzt. Im Opener „Dies Das Ananas“ überrascht gleich ein kantig groovender Rockbass, der an Beastie Boys und Rage Against The Machine gemahnt. Die mit hypnotischen Pianolines getrimmten poppigen Nummern wie „Atmen“ oder der Titelsong, der zudem durch Currys wunderbare Gesangshook Unsterblichkeit erreicht, entfalten pure Hitqualität. Dagegen stehen eigenwillig Tracks wie „Check Yo’self“ oder „Die Eskalation“, die Club- und Electro-Ästhetik hervorheben. Thematisch passend wird der „Jogginghosentag“ im dubbig verhallten Reggae-Downbeat gefeiert, „Das Goldene Ticket“ inszeniert mit fröhlichen Akustikgitarren im Uptempomodus eine ironische Business-Reflektion, thematisch dem dramatischen „Rapstars“ verwandt. Mit „2015“ wird die Fortsetzung von „2014“ zu einem zentralen Polit-Track, der die Zuspitzung der gesellschaftlichen Debatte zum komplexen Themenkreis Flucht und Asyl ohne Toleranz für die falsche Seite beschreibt. Linke emanzipatorische Politik findet bei Neonschwarz mehr als je zuvor beiläufig, zwischen, über und neben den Zeilen statt. Sie ist nie komplett abwesend, doch auch weniger als zuvor auf bestimmte „Themensongs“ konzentriert. So beschreibt „Doppeldeckerbus“ mit seiner ironisch überdrehten Stadtrundfahrtsperspektive inklusive lokaler Szene- und Subkulturfolklore den Begriff Gentrifizierung wohl viel besser als jeder gutgemeinte Erklärbär-Text. Neonschwarz rebellieren gegen die untragbaren Zustände, die manchen eine Steilvorlage zum Hetzen gegen Schwächere sind.
Diese Band wird nie die Klappe halten, darauf ist Verlass. Manchmal ernst, manchmal selbstironisch, manchmal partytauglich, doch immer mit Gehirn. Denn Neonschwarz denken lauter, als manch anderer schreit.
(Steffi Jakobs & Jan Apel)
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